Interview mit "Jugend trainiert"-Jubiläumsbotschafterin Johanna Recktenwald
Unsere "Jugend trainiert"-Jubiläumsbotschafterin Johanna Recktenwald hat unsere Fragen bei einem Liveinterview auf Instagram beantwortet. Sie erzählt uns unter anderem wie sie zum Para Biathlon kam und welchen Einfluss "Jugend trainiert" darauf hatte.
Ich möchte Dich einmal kurz vorstellen liebe Johanna: Du bist 19 Jahre alt, Biathletin im Paralympics-Kader für die paralympischen Spiele 2022 in Peking. 2019 hast du bei der WM im Para-Ski nordisch die Bronzemedaille gewonnen und bei dem ersten Weltcup im Ausland im Jahr 2018 gleich viermal Bronze geholt.
Bevor ich auf Deine Geschichte zu sprechen kommen möchte, verrate uns doch einmal, welches Handicap Du hast
Ich habe eine Sehbehinderung und habe nur ein Restsehen von 3 %.
Kannst du uns einmal erklären, was man sich darunter vorstellen kann und wie du deinen Sport ausüben kannst?
Für mich ist es im Schnee schwierig, mich zu orientieren, da ich nur verschwommen sehe und durch den Schnee die Kontraste fehlen. Deswegen bin ich mit einem Guide auf der Strecke unterwegs. Wir sind ein Team, wir arbeiten über Kommandos zusammen.
Kannst du mir einmal sagen, was du generell sehen kannst?
Für mich ist alles recht verschwommen und schemenhaft. Gesichter kann ich nicht erkennen, ich erkenne Personen eher an der Statur. Es ist für mich auch schwer zu beschreiben, weil ich nicht weiß, wie eine Person sieht, die normal sehen kann.
Du hast eine ganz eigene Geschichte bei „Jugend trainiert“. 2016 hast du die Bronzemedaille gewonnen. Beschreib uns doch einmal deinen Weg zu „Jugend trainiert“ und deine Erinnerungen.
Es war ein sehr verrückter Weg. Ich bin von einer Lehrerin ca. einen Monat vor dem Bundesfinale angesprochen worden, ob ich nicht einmal Langlauf ausprobieren möchte und ich habe bis dahin noch nie auf Ski-Rollern oder Langlaufski gestanden. Als Kind habe ich mit meinen Eltern nur Alpin-Ski gemacht. In der Schule habe ich es dann einmal ausprobiert und ich bin sofort mit zum Bundesfinale genommen worden. Aber ich habe erst einen Tag vor dem Finalwettkampf erstmals auf Langlaufski gestanden.
Du hast auch gleich eine Medaille gewonnen. Wie hast du das gemacht, hast du in dir direkt ein Talent entdeckt?
Nein, eigentlich gar nicht. Ich habe einfach nicht viel darüber nachgedacht und bin einfach drauf los. Und es hat dann echt Spaß gemacht.
Du hast danach eine rasante Entwicklung hingelegt und bereits 2018 im Weltcup vier Bronzemedaillen gewonnen. Warum hat „Jugend trainiert“ dir hier einige Türen geöffnet?
Es hat mir sofort sehr viel Spaß gemacht, ich habe erkannt, was man im Para-Sport machen kann und dass man weit kommen kann. Ich hatte mich zwar in vielen Sportarten ausprobiert, aber nie wirklich etwas im Para-Sport gemacht. Mich hatte sofort der Ehrgeiz gepackt und ich bin voll ins Training gestartet.
Was würdest du denen raten, die auch eine Sehbeeinträchtigung haben und allgemein unseren Sportler*innen?
Spaß steht immer an erster Stelle. Ich denke, dass es wichtig ist, dass man sich ausprobiert und am Ball bleibt, solange man Spaß dabei hat. Man muss fleißig sein und nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn mal etwas nicht funktioniert, dann kann man viel erreichen.
„Jugend trainiert“ ist in vielen Bereichen auch ein Inklusions-Wettbewerb. Die Ski-Wettbewerbe finden parallel statt, es gibt z. B. eine Inklusions-Staffel im Schwimmen oder auch die Wettbewerbe in der Leichtathletik werden gleichzeitig ausgetragen. Warum ist für dich „Jugend trainiert“ ein gelebtes Beispiel für Inklusion?
Ich finde es cool, dass es ein gemeinsamer Wettbewerb ist und Schüler*innen mit und ohne Behinderung zusammen Sport machen und Wettkämpfe beschreiten. Bei den richtigen Olympischen und Paralympischen ist das getrennt, da sind die Paralympischen Spiele zwei Wochen später und viele haben dann schon mit dem Thema abgeschlossen. Bei „Jugend trainiert“ ist das anders. Man lernt verschiedenste Menschen kennen und Schüler*innen, die sonst mit behinderten Menschen nicht in Kontakt sind, kommen durch den Wettbewerb in den Dialog.
Du hast als Jubiläumsbotschafterin letztes Jahr an unserer großen Eröffnungsfeier im Berliner Olympiastadion teilgenommen, wie hast du die Atmosphäre erlebt?
Es war etwas Besonderes für mich. Ich war noch nie vorher in einem so großen Stadion mit so vielen Menschen, wie auch dem Bundespräsidenten, und dazu die unterschiedlichen Showacts. Der Einlauf der Mannschaften war cool, der kam dem Einlauf bei Olympia und Paralympics schon etwas nahe. Es war einfach eine großartige Atmosphäre.
Ist dein Ziel „Peking 2022“ und wie stehen deine Chancen?
Ja, das wäre schon mein Ziel. Man weiß zwar nie, wohin der Weg führt, aber irgendwann würde ich schon gerne einmal an den Paralympics teilnehmen. Meine Chancen kann ich schwer einschätzen. Man muss auf jeden Fall gesund bleiben und ohne größere Verletzung bleiben, natürlich muss man auch im Training fleißig sein, dann wird sich zeigen, ob ich es schaffe.
Wie kannst du im Para-Biathlon das Ziel beim Schießen überhaupt wahrnehmen mit deiner Sehbehinderung?
Bei den Sehbehinderten wird mit einem Laser-Gewähr geschossen. Dieses wandelt die Zielscheibe in Töne um. Je höher der Ton wird, desto zentraler ist man im Ziel. Ich brauche für das Schießen meine Augen gar nicht sondern muss mich voll auf mein Gehör konzentrieren.
Du hast vor kurzem Dein Abitur gemacht. Wie geht’s bei dir nun weiter?
Ich werde nach Freiburg an den Bundesstützpunkt ziehen und dort dann noch einen Freiwilligendienst im Sport machen.
Zum Schluss haben wir noch einen kleinen „Entweder, oder?”
Sommer oder Winter? Winter
Hose oder Kleid? Hose
Veggibürger oder Filetsteak? Veggibürger
Instagram oder TikTok? Instagram
WM oder Paralympics? Paralympics
Schokolade oder Eis? Schokolade
Highheels oder Sneakers? Sneaker
Vielen Dank, Johanna!
Das Interview führte Timo Michael.