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Fabian Rießle: Von Olympia zu „Jugend trainiert“

Eigentlich heißt unsere Serie ja „von ‚Jugend trainiert‘ zu Olympia“. Im Fall des Nordischen Kombinierers Fabian Rießle wird aber auch umgekehrt ein Schuh draus. Einst nahm er mit der Grund- und Hauptschule St. Märgen an den Skilanglaufwettbewerben von Jugend trainiert für Olympia teil. Später dann, mit 23, erlebte er 2014 in Sotschi seine ersten Olympischen Winterspiele, von denen der gebürtige Freiburger mit zwei Medaillen zurückkehrte. Unmittelbar danach besuchte Rießle das Winterfinale von „Jugend trainiert“, das an jenem Ort stattfand, an dem er Jahre zuvor als 18-Jähriger sein Weltcup-Debüt gefeiert hatte: in Schonach. Seitdem ist viel passiert. Wir blicken mit ihm gemeinsam zurück, in die Gegenwart und nach vorn.

Von Kai Gemeinder

Als Kind probierte Fabian Rießle verschiedene Sportarten aus. Seine Eltern ließen ihn alles versuchen, sagt er. Relativ schnell kristallisierten sich Skispringen, Langlaufen und Mountainbiken als Lieblingsbeschäftigungen heraus. Weil der Aufwand irgendwann zu groß wurde, musste sich Fabian als Jugendlicher entscheiden, womit er leistungssportlich weitermachen möchte „Das ausschlaggebende Argument, weshalb ich mich dann für den Wintersport entschieden habe, war, dass ich im Landesverband in den Kader aufgenommen wurde. Ich denke, das hat mich dazu bewogen, eher zum Wintersport zu tendieren. Aber es hat mir auch ein bisschen mehr Spaß gemacht“, erinnert sich Rießle.
 
Mit Blick auf seine Erfolge in der Nordischen Kombination kann man sicher sagen: Es war eine gute Entscheidung. Nach seinem Weltcup-Debüt im Januar 2009 in Schonach gewann Rießle bei den Junioren-Weltmeisterschaften im selben Jahr zweimal Bronze. 2010 holte er mit der Juniorenmannschaft den Titel und war nach einem weniger guten Sprung schnellster Läufer seines Teams und zweitschnellster Athlet im gesamten Feld. 

Der endgültige Durchbruch gelang Rießle dann bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014, wo er Bronze im Einzel von der Großschanze und Silber mit der Mannschaft gewann. Seitdem ist der Schwarzwälder aus der Weltspitze nicht mehr wegzudenken. 2015 war er Teil der Mannschaft, die zum ersten Mal seit 28 Jahren den WM-Titel nach Deutschland holte und diesen zwei Jahre später sogar verteidigte. Bei seiner zweiten Olympiateilnahme 2018 gewann Rießle Silber von der Großschanze und wurde Mannschafts-Olympiasieger. Bei den Weltmeisterschaften 2019 feierte Rießle an der Seite von Eric Frenzel im Teamsprint seinen insgesamt dritten WM-Triumph; mit der Mannschaft gewann er Silber. 2021 kamen bei der Heim-WM in Oberstdorf erneut Silber mit der Mannschaft und Bronze im Teamsprint – abermals im Duett mit Eric Frenzel – hinzu. 

Keine deutsche Dominanz mehr, „aber die Richtung stimmt“

Allerdings blieb die deutsche Nationalmannschaft erstmals seit 2013 ohne WM-Titel. Sorgen bereitet das dem erfahrenen Fabian Rießle im Vorfeld der anstehenden Olympiasaison aber nicht: „Man muss sagen, dass wir als Nordische Kombinierer über mehrere Jahre schon ein bisschen verwöhnt wurden. Wir wissen auch, dass das kein Selbstläufer war, und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis irgendjemand kommt, der in unserer Sportart alles noch mal auf ein anderes Level hebt. Und das hat in der vorletzten Saison Jarl Magnus Riiber getan. Aber schon im letzten Winter hat man gesehen, dass wir uns nicht hängenließen, sondern versucht haben, Schritt zu halten und uns speziell auf der Schanze weiterzuentwickeln. Das hat auch schon ganz gut funktioniert. Ich glaube, dass die Richtung auf jeden Fall stimmt. Bei den Olympischen Spielen in Peking wollen wir nächstes Jahr wieder um Medaillen kämpfen. Das ist auch mein persönlicher Anspruch. Ich will bei den Spielen meine Bestleistung zeigen. Wenn es dann am Ende trotzdem nicht für eine Medaille reicht, geht die Welt auch nicht unter. Aber ich werde alles geben, um bei Olympia möglichst erfolgreich abzuschneiden.“

Der Weg dorthin hat bereits begonnen, denn inzwischen hat die Saisonvorbereitung schon wieder angefangen. Weil Rießle auch nach dem Weltcupfinale Ende März die guten Schneebedingungen in seiner Heimat nutzen wollte, betrug seine persönliche Pause bis zum Trainingsauftakt mit der Nationalmannschaft nicht einmal eine Woche. Damit hat Rießle kein Problem. Wintersportler werden eben im Sommer gemacht, wenn nicht gar im Frühjahr. Vielleicht schöpft der 30-Jährige auch zusätzliche Energie daraus, dass er und die ehemalige Skilangläuferin Sandra Ringwald im vergangenen Herbst erstmals Eltern geworden sind. „Es macht natürlich schon was mit einem, wenn man Papa wird. Das ruft ziemlich starke Gefühle hervor. Es ist ein Erlebnis“, sagt Rießle, der sich darüber freut, dass es ihm sein Beruf als Profisportler ermöglicht, viel Zeit mit seiner Tochter Paula zu verbringen. „Man muss den Tag ein bisschen anders planen und ab und zu etwas flexibel sein. Die Kleine fragt nicht nach meinem Job oder Sandras Studium. Aber in der Zeit, in der ich zu Hause bin, kann ich meinen Tag recht frei gestalten und bin in den Phasen flexibler als andere berufstätige Mütter oder Väter“, weiß Rießle seine Situation zu schätzen. 

Klare Meinung zum Breitensportverbot in Pandemiezeiten: „Das ist eine Katastrophe“

Außerdem ist er sehr dankbar dafür, auch in Pandemiezeiten seinen Beruf als Profisportler ausüben zu können. Dass der Nachwuchs- und Breitensport aufgrund der Corona-Einschränkungen hingegen seit über einem Jahr weitgehend brachliegt, hält Rießle für einen schwerwiegenden Fehler: „Grundsätzlich ist das natürlich eine Katastrophe. Man sieht doch, dass vielen Menschen, gleich welchen Alters, die Bewegung immens wichtig ist. Rausgehen und mit anderen Leuten sportlich aktiv sein zu dürfen, gibt den Menschen sehr viel. Dass dem momentan so stark ein Riegel vorgeschoben wird, ist schon problematisch. Das geht in den Sportvereinen bei den Kindern los, betrifft aber auch die Erwachsenen. Es ist sehr schade, dass der Wert von Bewegung offenbar nicht anerkannt wird. Man kann doch mittlerweile nachweisen, dass bei Sport an der frischen Luft die Ansteckungsgefahr extrem niedrig ist, weshalb die Politik da meiner Meinung nach viel früher hätte einlenken müssen. Ein Mangel an Bewegung wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Menschen aus und ich befürchte, dass wir das in den nächsten Jahren in unserer Gesellschaft noch zu spüren bekommen.“

Fabian Rießle findet es gut, dass Jugend trainiert für Olympia & Paralympics im letzten Herbst mit seinem Aktionstag 235.000 Schülerinnen und Schüler in Bewegung gebracht und ein Zeichen für den Schulsport gesetzt hat. Auch die DSV Nachwuchs Challenge, bei der Kinder und Jugendliche im letzten Winter auf regional vorbereiteten Loipen individuell eine vorgegebene Streckenlänge absolvieren konnten, fand der Nordische Kombinierer „extrem lässig“. Besonders gefiel ihm daran, dass die Aktion Wettbewerbscharakter hatte. Dieser gehöre für viele Kids zum Sporttreiben einfach dazu. Deshalb hofft Rießle auch darauf, dass „Jugend trainiert“ möglichst bald wieder in den klassischen Modus zurückkehren kann. Er selbst habe die Wettkämpfe bei Jugend trainiert für Olympia als Schüler sehr gerne mitgenommen. „Dass man mit seinen Freunden im Auftrag der Schule unterwegs sein und sich mit anderen messen durfte, hat ein starkes Gemeinschaftsgefühl erzeugt und die Identifikation mit der Schule gestärkt“, erinnert sich Rießle an die damalige Zeit zurück. 

Geschichte könnte sich wiederholen

Deshalb sei er nach seiner Rückkehr von den Olympischen Winterspielen 2014 auch gerne der Einladung von „Jugend trainiert“ gefolgt und zum Winterfinale nach Schonach gekommen. Damals gehörten offiziell zum ersten Mal neben Skilanglaufwettbewerben auch Ski Alpin- und Skisprungentscheidungen zum „Jugend trainiert“-Programm, nachdem es bereits 2013 Demonstrationswettbewerbe in beiden Sportarten gegeben hatte. „Dass bei ‚Jugend trainiert‘ seit meinem Besuch auch Skispringen am Start ist, finde ich natürlich mega cool. Im Endeffekt ist es einfach wichtig, dass die jungen Leute Sport treiben. Und mich als Wintersportler freut es, wenn die Wintersportarten im Wettbewerb weiter ausgebaut werden. Dass mittlerweile beide Disziplinen der Nordischen Kombination dabei sind, freut mich umso mehr.“

Wie lange er selbst noch als Profisportler aktiv bleiben wird, weiß er noch nicht. „Das möchte ich von Jahr zu Jahr entscheiden. Jetzt gilt erstmal die volle Konzentration der Olympiavorbereitung.“ Die Winterspiele in Peking enden übrigens am 20. Februar 2022. Am gleichen Tag soll das Winterfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics beginnen. Wieder einmal in Schonach. Vielleicht kommt Fabian Rießle dann als frisch gebackener Medaillengewinner vorbei und es heißt zum zweiten Mal: Von Olympia zu „Jugend trainiert“. Es wäre schön, wenn sich Geschichte wiederholen würde. Denn das würde auch bedeuten, dass die Pandemie bis dahin so weit überwunden ist, dass der Schulsportwettbewerb wieder stattfinden kann. Dies wäre ganz sicher auch im Sinne von Fabian Rießle.
 

© alle Bilder: Fabian Rießle privat

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