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Gemeinsam sind sie stark: Medaillenregen für ehemalige „Jugend trainiert“-Talente

Seit gestern sind die XXIV. Olympischen Winterspiele in Peking Geschichte. Zehn ehemalige „Jugend trainiert“-Teilnehmerinnen und-teilnehmer gingen während der vergangenen zweieinhalb Wochen beim sportlichen Höhepunkt des Jahres an den Start. Ihre Bilanz kann sich wahrlich sehen lassen: Sechs von ihnen kehren mit Medaillen zurück – Biathletin Denise Herrmann sowie die Skilangläuferinnen Katharina Hennig und Victoria Carl sogar als Olympiasiegerinnen mit jeweils zwei Medaillen im Gepäck. Edelmetall gewannen zudem Vanessa Voigt, Eric Frenzel und Manuel Faißt. Die zweite Olympiahälfte verlief dabei noch erfolgreicher als die erste. Und turbulenter. Wir blicken auf die Highlights der letzten Tage aus „Jugend trainiert“-Sicht zurück und ziehen Bilanz.

Von Kai Gemeinder

Zur Halbzeit der Spiele hatten wir am vergangenen Sonntag ein positives Zwischenfazit gezogen. Insbesondere Denise Herrmann mit ihrem Olympiasieg im Biathlon Einzel, Olympiadebütantin Vanessa Voigt mit Rang vier im gleichen Rennen sowie Katharina Hennig und Victoria Carl, die Mitglieder des Silberquartetts in der Damen-Staffel waren und auch als Solistinnen in ihren Einzeldisziplinen mit Top-10-Platzierungen überzeugen konnten, setzten Glanzlichter.

Es wäre vermessen gewesen, davon auszugehen, dass die zweite Olympiawoche noch erfolgreicher verlaufen würde als die erste. Doch genauso ist es gekommen. Nach Gold und Silber in Woche eins kam ein kompletter Medaillensatz in Woche zwei hinzu. Auffällig dabei: Die drei Podestplatzierungen wurden allesamt in Teamentscheidungen errungen – ganz im Geiste von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics, wo traditionell Schulmannschaften und nicht einzelne Athletinnen und Athleten um Edelmetall kämpfen. Der Teamgedanke wird beim Schulsportwettbewerb groß geschrieben. Und im Team belohnten sich nun auch die einstigen „Jugend trainiert“-Talente dank starker, teilweise sogar überragender Leistungen mit olympischen Medaillen.

Wie die jüngsten Erfolge im Biathlon, Skilanglauf und der Nordischen Kombination zustande kamen; wer für die größte Überraschung sorgte; wie die Leistungen derer einzuschätzen sind, die ohne Medaillenerfolg blieben; wessen Traum von Olympia sich erst erfüllte, nachdem die Spiele bereits begonnen hatten; für wen es ein Happy End gab und für wen nicht – wir liefern Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Olympischen Winterspiele Peking 2022, immer mit dem Fokus auf jene Athletinnen und Athleten, die den Sprung von „Jugend trainiert“ zu Olympia geschafft haben.

Biathlon: Vanessa Voigt und Denise Herrmann führen deutsche Mannschaft zu Staffel-Bronze

Als junges Mädchen schrieb Vanessa Voigt einmal ins Poesiealbum, ihr größter Wunsch sei es, eine olympische Medaille zu gewinnen. Seit ihrer Kindheit verfolgte sie diesen Traum. Am 16. Februar 2022 hat er sich erfüllt. In der Damen-Staffel, die in der Besetzung Voigt, Hinz, Preuß und Herrmann Bronze gewann. Auch wenn Sportlerinnen und Sportler zurecht immer wieder betonen, im Teamwettbewerb gewinne und verliere man zusammen, sei die Bemerkung erlaubt, dass Vanessa Voigt als Start- und Denise Herrmann als Schlussläuferin besonders großen Anteil am Gewinn der Bronzemedaille hatten.

Voigt traf zehnmal ins Schwarze und präsentierte sich auch in der Loipe bärenstark, so dass sie in Führung liegend an Vanessa Hinz übergeben konnte. Als eine gute halbe Stunde später Denise Herrmann als Schlussläuferin ins Rennen ging, war Deutschland auf Rang vier zurückgefallen, mit 23 Sekunden Rückstand zu Bronze. Hinz und Preuß hatten je zwei Nachlader im Stehendanschlag benötigt und waren auch auf der Strecke ein wenig schwächer als Voigt zu Beginn. Herrmann musste zwar ebenfalls zweimal nachladen – einmal liegend, einmal stehend –, sicherte der deutschen Staffel aber aufgrund ihres Laufvermögens die ersehnte Medaille.

Hinz und Preuß hatten eine gute, Voigt und Herrmann eine sehr gute Leistung abgeliefert. Das reichte zusammengenommen für Rang drei. Ein großartiger Erfolg, gerade wenn man bedenkt, dass die deutsche Damen-Staffel zuvor im gesamten Weltcupwinter noch ohne Podestplatzierung geblieben war.

In den Einzeldisziplinen sprangen für die ehemaligen „Jugend trainiert“-Teilnehmerinnen Voigt und Herrmann in der zweiten Olympiahälfte zwar keine weiteren Topplatzierungen heraus, doch das konnte die Freude über Gold und Bronze für Herrmann sowie Bronze und Platz vier für Voigt nicht schmälern.

Skilanglauf: Sensationsgold für Katharina Hennig und Victoria Carl im Teamsprint

Mit Superlativen sollte man sparsam umgehen. Hier aber sind sie angebracht. Die Goldmedaille von Katharina Hennig und Victoria Carl im Teamsprint war nichts weniger als eine Sensation, die Leistung der beiden Skilangläuferinnen herausragend. Wenige Stunden, nachdem die deutschen Biathletinnen Bronze gewonnen hatten, wuchsen Hennig und Carl über sich hinaus und bescherten dem deutschen Langlaufteam am Geburtstag von Teamchef Peter Schlickenrieder die erste olympische Goldmedaille seit 2010. In einem packenden Rennen, in dem die Läuferinnen abwechselnd je dreimal eine 1,5 km lange Sprintstrecke absolvieren müssen, hielten sich Hennig und Carl – sicherlich beflügelt vom Gewinn der Silbermedaille in der Staffel – von Beginn an in der Spitzengruppe auf. Beim letzten Wechsel übergab Hennig sogar hauchdünn in Führung liegend an Carl. Diese konnte auch in der Schlussrunde mit den starken Konkurrentinnen aus Schweden, Russland und Finnland mithalten und bog als Drittplatzierte auf die Zielgerade ein. Dann zog sie unnachahmlich an der schwedischen Sprintolympiasiegerin Jonna Sundling und der russischen Tour de Ski Gewinnerin Natalia Neprjajewa vorbei und überquerte als Erste die Ziellinie. Mit dem Olympiasieg haben Hennig und Carl zweifellos für die positivste Überraschung im gesamten TeamD gesorgt. Es war ein Titel, der lange in Erinnerung bleiben wird, nicht zuletzt auch dank der mitreißenden Live-Kommentierung des ARD-Reporters Jens-Jörg Rieck, die schon jetzt Kultstatus erlangt hat.

Keine Medaillen für Antonia Fräbel, Coletta Rydzek, Jonas Dobler und Janosch Brugger – aber ein Ausrufezeichen von Brugger in der Männer-Staffel

Neben Hennig und Carl waren vier weitere ehemalige „Jugend trainiert“-Talente Teil der deutschen Skilanglaufmannschaft. Antonia Fräbel und Coletta Rydzek kamen allerdings nur in Einzeldisziplinen zum Einsatz. Fräbel landete am Schlusstag der Spiele im 30 km Rennen auf Rang 19 und war „stolz und happy“ mit diesem Ergebnis, wie sie auf Instagram schrieb. Rydzek wurde in der zweiten Olympiahälfte nicht mehr nominiert, so dass für die Oberstdorferin nur ein 37. Platz im Sprint zu Buche steht. Damit blieb sie hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Schließlich hatte Rydzek in dieser Disziplin beim Tour de Ski Auftakt Ende Dezember noch mit Rang sechs auf sich aufmerksam gemacht und deshalb bei ihrer Olympiapremiere auf ein besseres Resultat gehofft.

Für Jonas Dobler waren es in Peking bereits die zweiten Olympischen Spiele. Seine Bilanz: ein 19. Platz über 15 km und ein 20. Platz über die doppelte Distanz. (Zur Erklärung: Das traditionsreiche 50 km Rennen der Männer wurde aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen auf 30 km verkürzt.) Gesundheitliche Probleme hatten bessere Platzierungen und Doblers geplante Starts im Skiathlon und in der Staffel verhindert. Unterm Strich ist Dobler in Peking etwas unter seinen Möglichkeiten geblieben.

Den überzeugendsten Auftritt im Männerteam der Langläufer legte Janosch Brugger hin, und zwar als Startläufer der Staffel. Ebenso wie Catherine Sauerbrey bei den Damen, übergab er an zweiter Position liegend an seinen Teamkollegen und ließ die Männer-Staffel kurzzeitig von einer Medaille träumen. Doch anders als Hennig, Carl und Sofie Krehl in der Frauen-Konkurrenz konnten Bruggers Mannschaftskameraden den Medaillenrang nicht verteidigen und landeten am Ende auf einem dennoch guten fünften Platz.

Nordische Kombination: Happy End für Eric Frenzel, Achterbahn für Manuel Faißt und Pech für Terence Weber

Die turbulentesten Tage unter den ehemaligen „Jugend trainiert“-Akteuren durchlebten bei den Olympischen Winterspielen fraglos die Nordischen Kombinierer Eric Frenzel, Terence Weber und Manuel Faißt. Frenzel und Weber waren bei der Einreise nach China positiv auf das Coronavirus getestet worden. Weil unklar war, wie lange sie in Quarantäne würden verbringen müssen, reiste Manuel Faißt, ursprünglich nicht für die Spiele nominiert, zwei Tage nach der Eröffnungsfeier dem Rest der Mannschaft hinterher und hielt sich fortan für einen möglichen Olympiaeinsatz bereit. Klar war: Sobald Bundestrainer Hermann Weinbuch Faißt in einem der Wettbewerbe starten lassen würde, müsste er einen anderen Sportler – also Frenzel oder Weber – unwiderruflich aus dem Olympiakader streichen. Es begann ein Wettlauf mit der Zeit, bei dem es mindestens einen Verlierer geben musste.

Wechselbad der Gefühle für Manuel Faißt

Faißt, der zwischen 2006 und 2008 mit dem Richard-von-Weizsäcker-Gymnasium Baiersbronn dreimal am Winterfinale von Jugend trainiert für Olympia teilgenommen hat, ist seit einigen Jahren fester Bestandteil des starken deutschen Weltcupteams. Nachdem er 2018 nicht für die Olympischen Winterspiele nominiert worden war, überzeugte Faißt in den kommenden drei Wintern jeweils als 10. des Gesamtweltcups. Doch in der aktuellen Weltcupsaison belegt der inzwischen 29-Jährige lediglich Rang 16, fünf andere Deutsche – so auch Frenzel (5) und Weber (7) – sind besser platziert. Deshalb zerplatzte der Traum von Olympia für Faißt (zunächst) erneut. Aber dann kam es aus den genannten Gründen zur Nachnominierung und die Zeit des Wartens begann.

Würde Hermann Weinbuch den Schwarzwälder bei einem der drei möglichen Wettbewerbe einsetzen? Beim 10 km Wettkampf von der Normalschanze am 9. Februar entschied sich der Bundestrainer noch dagegen, verzichtete lieber auf einen von vier Startplätzen, um Frenzel und Weber die Tür offen zu halten. Als ein Einsatz der beiden auch am Tag vor dem zweiten Einzelwettbewerb ausgeschlossen war, entschied sich das Trainerteam, Manuel Faißt einen Startplatz zu geben und Weber zu ersetzen. Des einen Freud war des anderen Leid.

Faißt nutzt seine Chance, ist „mehr als happy“, aber in Gedanken bei seinen Teamkollegen

Im Wettbewerb von der Großschanze zahlte Faißt schon bei der ersten Teildisziplin das in ihn gesetzte Vertrauen zurück. Mit 133 m landete er als Vierter und war bester Deutscher auf der imposanten Schanze. In der Loipe nutzte Faißt die ausgezeichnete Ausgangslage und lag lange auf Medaillenkurs. Erst am letzten Anstieg rauschten noch zwei Norweger an der Führungsgruppe um Manuel Faißt vorbei, so dass diesem hinter Akito Watabe „nur“ der undankbare vierte Platz blieb. Drei Sekunden fehlten zur Medaille. Für Faißt kein Anlass, traurig zu sein. Aufgrund seiner Vorgeschichte sei er „mehr als happy“ mit dem Ergebnis. Zudem bewies er menschliche Größe, als er im Interview Mitgefühl für Frenzel und Weber zeigte: „Es tut mir für die anderen beiden unendlich leid, sie hätten mindestens einen genauso guten Wettkampf zeigen können.“

Staffel mit Frenzel und Faißt holt Silber

Zwei Tage später fand der Mannschaftswettbewerb der Nordischen Kombinierer statt. Eric Frenzel hatte inzwischen die Quarantäne verlassen und als die Ärzte nach zahlreichen Belastungstests grünes Licht für den Einsatz des dreifachen Olympiasiegers gaben, wurde Frenzel für die Staffel nominiert. Und Manuel Faißt kam dank seines starken Auftritts im Einzel zu seinem zweiten Olympiaeinsatz. Für ihn musste Doppelolympiasieger Johannes Rydzek weichen.

Nach dem Springen lag das deutsche Team elf Sekunden hinter den führenden Österreichern an dritter Stelle. Faißt wurde im Langlaufwettbewerb auf die Startposition gesetzt und schaffte es, den Rückstand zuzulaufen. Er übergab als Erster an Julian Schmid; dieser wiederum fünf Kilometer später mit nur vier Sekunden Rückstand zur Spitze an Frenzel. Allerdings zeigte sich, dass elf Tage Quarantäne auch an einem Ausnahmeathleten wie ihm nicht spurlos vorbeigehen. Er konnte das hohe Tempo der Konkurrenz nicht mitgehen und übergab mit fast einer halben Minute Rückstand auf die Medaillenränge völlig entkräftet an den stärksten Deutschen, Vinzenz Geiger. Ihm gelang es, wie schon bei seinem Olympiasieg im ersten Wettbewerb der Kombinierer, zunächst den Rückstand zu verkürzen und am letzten Anstieg die Konkurrenten zu überholen. Nur Norwegen lag uneinholbar in Führung und sicherte sich die Goldmedaille. Deutschland gewann Silber.

Für Frenzel war es die siebte Medaille. Kein anderer Athlet hat bei Olympia in der Nordischen Kombination mehr gewonnen. Auch wenn Frenzel diese siebte Medaille vor allem seinen starken Teamkollegen zu verdanken hatte, war es bei seinem letzten Olympiaauftritt das erhoffte Happy End. Ein solches erlebte nach einer wochenlangen Achterbahnfahrt auch Manuel Faißt. Er kehrt von den Olympischen Spielen, die er eigentlich schon verpasst hatte, überglücklich mit einem zweiten und vierten Platz zurück nach Hause.

Kompakt zusammengefasst:
Die erfolgreiche „Jugend trainiert"-Vergangenheit der Sportler*innen aus dem Team D 
Beitrag vom 4.2.2022

Quelle: Instagram/Olympics

Quelle: Instagram/Olympics

Quelle: Instagram/Olympics

Quelle: Instagram/Denise Herrmann

Quelle: Instagram/Denise Herrmann

Quelle: Instagram/Katharina Hennig

Quelle: Instagram/Katharina Hennig

Thomas Zipfel hat den Moment der Goldmedaille im Teamsprint und den dazugehörigen Live-Kommentar von Jens-Jörg Rieck in einer Zeichnung festgehalten. Der Ausspruch "Ja hast du denn die Pfanne heiß" hat schon jetzt Kultstatus erlangt. Quelle: Thomas Zipfel

Manuel Faißt ist zufrieden mit seinem Sprung auf 133 m. Am Ende wird er Vierter und ist "mehr als happy" mit diesem Ergebnis. Quelle: Instagram/Manuel Faißt

Quelle: Instagram/DSV nordisch

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