Von Kai Gemeinder
Es hat schon Tradition, dass Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Bundesland Deutschlands auch die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Jugend trainiert für Olympia & Paralympics stellt. Mehr als 140.000 der etwa 800.000 Schülerinnen und Schüler, die sich jährlich am Schulsportwettbewerb beteiligen, stammen aus NRW. Und doch schaffen es die Wenigsten – gerade einmal ein paar Hundert von ihnen – alle Hürden auf dem Weg zu einem der drei Bundesfinals im Winter, Frühjahr und Herbst zu überwinden.
Üblicherweise kommen erst zu diesen Saisonhöhepunkten des Schulsports Mannschaften unterschiedlicher Sportarten zusammen, um ein gemeinsames Sportfest im Stile Olympischer oder Paralympischer Spiele auf nationaler Ebene zu zelebrieren. Bei den Qualifikationswettbewerben auf Stadt-, Kreis- Regional- und Landesebene bleiben die 26 im Bundeswettbewerb vertretenen Sportarten meist unter sich. In Nordrhein-Westfalen fand dementgegen nun bereits zum zweiten Mal in Folge ein zentrales Landesfinale im Sportpark Duisburg statt, das dem Erlebnis eines Bundesfinales schon sehr nahe kommt.
In zehn olympischen und drei paralympischen Sportarten galt es am 6. Juni, um Landestitel zu kämpfen und sich in 28 Wettkampfklassen für das Herbstfinale 2023 in Berlin zu qualifizieren. Mehr als 2.000 Schülerinnen und Schüler waren in Duisburg versammelt, wobei die meisten Entscheidungen im Sportpark Duisburg fielen. Die Kompaktheit des Sportareals und gemeinsame Siegerehrungen im Fußballstadion am Ende des Tages ließen die Schulsporttalente aus Nordrhein-Westfalen den Spirit einer echten Multisportveranstaltung erleben. Bei den Kindern und Jugendlichen kam das sehr gut an.
Hockey-Torhüterin Ronja Siegel, die mit dem Steinbart-Gymnasium Duisburg das Ticket fürs Bundesfinale im September lösen konnte, meinte: „Es ist sehr schön, dass viele verschiedene Sportarten zusammentreffen. Man bekommt auch von den anderen Sportarten viel mit und das ist ja wie bei Olympia.“ Glücklich waren die Steinbart-Schülerinnen aber natürlich auch aufgrund des errungenen Erfolges. „Dass wir nach Berlin fahren dürfen, ist einfach unglaublich“, sagte Mitspielerin Laura Kläß. Nur wenige Meter weiter jubelten unterdessen die Fußballerinnen der Gesamtschule Hardt Mönchengladbach. Im vergangenen Jahr waren sie noch im Landesfinale gescheitert, diesmal gewannen sie das Turnier der WK II und fahren ebenfalls nach Berlin. Für fast alle im Team wird es die erste Reise in die Hauptstadt sein. Entsprechend ausgelassen feierten die Mädchen ihren Titel und sprühten vor guter Laune.
Den Judoka vom Ruhr-Gymnasium Witten ist hingegen bereits zum vierten Mal in Folge der Sieg im Landesfinale gelungen. Man könnte also meinen, dass der kampfsportbegeisterte Lehrer Christopher Knier dem Einzug des eigenen Teams ins Bundesfinale mit gelassener Routine begegnen würde. Das Gegenteil war der Fall. Als die erneute Finalteilnahme feststand, trommelte der charismatische Pädagoge die auffallend große Gruppe aus Witten zu einem Kreis zusammen, woraufhin lautstark skandiert wurde: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Mit leuchtenden Augen und heiserer Stimme erzählte der Lehrer anschließend, dass jeder, der bei ihm in der Kampfsport-AG sei, aber noch zu jung, um bei „Jugend trainiert“ anzutreten, heute mitfahren durfte. „Das ist fürs Gruppengefühl und die Mannschaft einfach phantastisch.“
Jubelszenen wie die in der Judohalle ließen sich im Sportpark Duisburg immer wieder beobachten. Aber auch jene, die keinen Landesmeistertitel gewinnen konnten, waren froh, das zentrale Landesfinale mit so vielen anderen Nachwuchssportlerinnen und -sportlern zu erleben. „Ich find’s geil“, meinte beispielsweise ein Schüler des Para Leichtathletikteams von der Brückenschule Maria Veen. Und eine Mitschülerin ergänzte: „Ich bin stolz, dass wir uns fürs Landesfinale qualifiziert haben.“
„Wer die Stimmung hier gesehen hat und gemerkt hat, wie viele Jungs und Mädels teilnehmen, der weiß, warum wir das machen. Wir wollen, dass junge Leute Sport machen, früh einsteigen, und uns ist völlig egal, ob das Breitensport oder Leistungssport ist. Hier im Schulsport fängt alles an und deshalb wollen wir das fördern“, betonte Andrea Milz, Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt des Landes Nordrhein-Westfalen. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link war „einfach mega stolz“, dass die Sportstadt Duisburg erneut Gastgeber dieses großartigen Sportfests sein durfte. Dass es so kommen möge, hatte er sich schon nach der gelungenen Premiere im vergangenen Jahr gewünscht.
Die Gesamtorganisation der Zentralveranstaltung lag bei der Landesstelle für den Schulsport, dem Ausschuss für den Schulsport der Stadt Duisburg und DuisburgSport. In Zusammenarbeit mit den Sportfachverbänden sowie den ansässigen Vereinen und mit der Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer haben die Verantwortlichen ein großartiges Sportfest auf die Beine gestellt.
Sportstars übergeben Pokale und Medaillen an den Nachwuchs
Besonders aufregend für die Schülerinnen und Schüler dürfte gewesen sein, so viele prominente Sportlerinnen und Sportler beim Landesfinale zu treffen, die zum Teil selbst zu Schulzeiten bei „Jugend trainiert“ an den Start gegangen sind.
Niklas Wellen, der im Januar als bester Spieler des Turniers die deutschen Hockeyherren zum Weltmeistertitel geführt hat, erinnert sich noch ganz genau an seine eigene Teilnahme am Schulsportwettbewerb: „Wir hatten an der Schule tatsächlich viele Jungs, die im selben Verein gespielt haben. Von daher hatten wir immer eine ganz gute Schulhockeymannschaft und haben es einmal auch in Berlin ins Finale geschafft. Das haben wir leider im Siebenmeterschießen verloren. Aber trotzdem: Mir hat das immer sehr, sehr viel Spaß gemacht.“ Dass sich der beim Crefelder HTC beheimatete, 222-fache Nationalspieler noch so gut an seine Zeit bei „Jugend trainiert“ erinnert, belegt den hohen Stellenwert, den der Wettbewerb für junge, aufstrebende Talente hat. Das bestätigt auch Malte Jakschik, dreimaliger Ruderweltmeister und zweimaliger Silbermedaillengewinner bei Olympischen Spielen mit dem Deutschland-Achter, wenn er sagt: „Ich habe noch lange von den Erinnerungen gezehrt.“ Es sei deshalb der richtige Schritt, schon das Landesfinale zentral durchzuführen, damit möglichst viele Nachwuchstalente im Schulkontext die Atmosphäre einer so großen Veranstaltung erleben können.
Neben den beiden übergaben die sportlichen Vorbilder Max Hartung (Team-Weltmeister und viermaliger Europameister im Fechten sowie Geschäftsführer der Sportstiftung NRW), Pamela Dutkiewicz (WM-Bronzemedaillengewinnerin und Vize-Europameisterin über die 100 m Hürden) und Fabian Brune (Vize-Europameister im Para Schwimmen) sowie Andrea Milz (Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt des Landes Nordrhein-Westfalen), Birgit Schaffrath (Stellvertretende Referatsleiterin Leistungssport in der Abteilung Sport und Ehrenamt der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen), Sören Link (Oberbürgermeister Duisburg) und Notker Becker (Pressesprecher Rheinischer Sparkassen- und Giroverband) bei den Siegerehrungen am Ende des langen Sporttages im Sportpark Duisburg die Pokale und Medaillen.
„Das war schon sehr aufregend“, gab die Fußballspielerin aus Mönchengladbach, die den Siegerpokal entgegennahm, zu. Für sie und ihre Schulfreundinnen geht die Reise im September weiter. Ebenso wie für 27 andere erfolgreiche Schulteams, die in ihren Sportarten und Wettkampfklassen als Landessieger ihr Bundesland beim Herbstfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics vertreten werden.