Von Kai Gemeinder
Es schien wie verhext. Eine gefühlte Ewigkeit waren coronabedingt weder Schulsportausflüge noch Klassenfahrten erlaubt. Nun, da beides wieder möglich ist, sollten für zwei Berliner Schülerinnen diese lange vermissten Schulaktivitäten schicksalhaft zusammenfallen. Auf die Woche vom 3. bis 7. Mai.
Die Grundschule im Taunusviertel Berlin qualifizierte sich beim Landesentscheid im Gerätturnen wie zuletzt 2019 für das Frühjahrsfinale 2022, um kurz darauf festzustellen, dass mit Pia Dannappel und Filia Schröder zwei Sportlerinnen der Mannschaft zeitgleich zum Bundesfinale auf Klassenfahrt sein würden. Nicht nur für die zwei besten Freundinnen war dies eine Enttäuschung. Weil Betreuerin Brigitte Giffhorn kein Ersatz für die beiden Mädchen zur Verfügung stand und sie mit den übrigen dreien nicht am Turnwettbewerb hätte teilnehmen können, wollte sie schweren Herzens bereits den gewonnenen Startplatz an die zweitplatzierte Berliner Schule abtreten.
„Es war sehr traurig, als wir gehört haben, dass wir vielleicht nicht antreten dürfen“, erinnert sich Flora Schröder, die wie ihre ältere Schwester Filia zur Turnmannschaft der Schule gehört. Als Retter in der Not entpuppte sich schließlich Pias Opa, der berichtet: „Die Kinder wollten unbedingt teilnehmen und haben mich gefragt, ob ich sie von der Klassenfahrt abholen und auch wieder hinbringen würde. Als Opa ist das selbstverständlich. Da die Schulleiterin auch damit einverstanden war, ist das alles klar gegangen.“
Opa nimmt stundenlange Autofahrt auf sich, um Schülerinnen die Teilnahme am Wettbewerb zu ermöglichen
„Das ist so was von große Klasse, dass der Opa von Pia sich bereiterklärt hat, diesen Aufwand zu betreiben“, strahlt Brigitte Giffhorn und Pia, die ihrem Opa ein besonders schönes Geschenk zum nächsten Geburtstag in Aussicht stellt, fügt hinzu: „Ich finde es sehr schön von unseren Lehrern, dass sie uns gefragt haben, was wir am liebsten machen würden, und wir entscheiden durften, ob wir auf das Bundesfinale verzichten wollen oder auf einen Tag bei der Klassenfahrt.“
Das Beispiel zeigt, welchen Stellenwert die Teilnahme am Bundesfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics bei jungen Menschen hat. Sportlich – und in diesem Fall auch im eigentlichen Wortsinn – lautete das Motto: „Dabei sein ist alles“. Beim letzten Frühjahrsfinale 2019 belegte die Grundschule im Taunusviertel Berlin den vorletzten Rang, nur die heute 13-jährige Pia Dannappel war damals schon dabei. „Alles, was besser ist, würde ich als Erfolg bewerten“, meinte Betreuerin Giffhorn, nachdem der Wettkampf beendet war. Am Ende sollte es der achte Platz werden. Ein gutes Resultat. Aber darauf kam es gar nicht so sehr an. Der Beste war an diesem Tag – zumindest für die fünf Berliner Mädchen und deren Betreuerinnen – ohnehin Pias Opa.
Auch der rbb hat über die Geschichte berichtet. Bis zum 12.5.2022 ist der Beitrag in der rbb Mediathek (Ab Minute 9:24) verfügbar.
Saarbrücken holt erstmals den Bundessieg im Gerätturnen
Auf dem Podest im Wettbewerb der Mädchen landeten das Gymnasium Rotenbühl Saarbrücken vor dem Otto-Hahn-Gymnasium Karlsruhe (Baden-Württemberg) und dem Goethe-Gymnasium Dortmund (Nordrhein-Westfalen).
„Es war schon ein perfekter Wettkampf heute. Es gab beim Einturnen noch die ein oder andere Schwierigkeit. Da haben wir ein bisschen nachbessern müssen. Aber im Wettkampf haben sie die Nerven behalten und ganz toll geturnt“, lobte Saarbrückens Betreuerin Folke Schmitt ihre Schützlinge. Seit vielen Jahren ist das Gymnasium am Rotenbühl beim Bundesfinale im Turnen dabei. Heute gewann die saarländische Turnmannschaft zum allerersten Mal eine Medaille an den Geräten. Und dann gleich die goldene. Es war ein Erfolg, über den wenige Augenblicke nach der Siegerehrung bereits die Schulleitung telefonisch informiert wurde. „Gold“ schrien die Turntalente ins Handy der Betreuerin. Danach erklärte diese etwas genauer, was da in Berlin gerade passiert war.
Stuttgart gewinnt diesmal bei den Jungen
Das Wirtemberg-Gymnasium Stuttgart hatte bereits 2019 beim Bundesfinale in der WK IV die Goldmedaille im Gerätturnen gewonnen. Damals allerdings mit dem Mädchenteam. Diesmal war die Jungenmannschaft an der Reihe. Ohnehin ist die Unterscheidung zwischen Mädchen- und Jungenmannschaften in dieser Wettkampfklasse nicht ganz einfach. Denn im Turnen sieht die Ausschreibung vor, dass im Mädchenteam bis zu zwei Jungen, im Jungenteam bis zu zwei Mädchen antreten dürfen. Im Grunde handelt es sich in beiden Wettkampfklassen daher um gemischte Wettbewerbe. Auch das Wirtemberg-Gymnasium machte von der Regel Gebrauch, stellte drei Jungen und zwei Mädchen auf – und gewann. „Ich bin unfassbar stolz auf unsere Mannschaft, auf den Teamspirit und freue mich sehr, mit dieser tollen Mannschaft hier zu sein“, freute sich Erfolgstrainerin und Lehrerin Melanie Voss, die schon 2019 ihre Schule zum Titel geführt hatte.
Silber ging an das Kardinal von Galen Gymnasium Mettingen in Nordrhein-Westfalen. Bronze gewann das Gymnasium am Kattenberge Buchholz in Niedersachsen.
Alle Platzierungen im Turnen können beim Ergebnisdienst nachgelesen werden.
Sieben Finalentscheidungen am Donnerstag
Am morgigen Donnerstag findet an gleicher Stelle der Turnwettkampf der WK III bei den Mädchen statt. Auch im Goalball endet morgen der Wettbewerb. Weitere fünf Titel werden an der Platte im (Para) Tischtennis ausgespielt. In allen anderen Sportarten des Frühjahrsfinales werden die Bundessiege erst am Freitag vergeben.