Von Kai Gemeinder
„Schulsport kann mehr“ – So lautet ein Slogan der Deutschen Schulsportstiftung, die mit Jugend trainiert für Olympia & Paralympics den größten Schulsportwettbewerb der Welt veranstaltet. Als Alternative zum klassischen „Jugend trainiert“-Wettbewerb rief die Stiftung im vergangenen Pandemiesommer Schülerinnen und Schüler dazu auf, sich zwischen dem 26. Juli und 24. September 2021 an der „Schulsport-Stafette“ zu beteiligen.
Oberstes Ziel der Initiative war es, Spiel, Sport und Bewegung an Deutschlands Schulen zurückzubringen. Umfangreiche Vorschläge für Bewegungsangebote wurden den Schulen unterbreitet. Letztlich waren die Lehrkräfte aber frei in der Wahl ihres Sportprogramms. Und so kam es, dass ca. 20 Schulen im Rahmen der „Schulsport-Stafette“ Spendenläufe organisierten, um für unterschiedliche soziale Zwecke Geld zu sammeln. Das zeigt: Schulsport kann nicht nur mehr, Schulsport kann viel mehr. Einerseits trägt ein bewegungsreicher Schulalltag zu physischer, psychischer und sozialer Gesundheit bei, wie zahlreiche Studien belegen. Andererseits kann Sport an der Schule auch genutzt werden, Kinder und Jugendliche zu verantwortungsbewussten und hilfsbereiten Menschen zu erziehen, die in gemeinsamer Anstrengung bereit sind, Gutes zu tun.
„Wir müssen den Betroffenen in NRW und Rheinland-Pfalz helfen und etwas zurückgeben“
„Als wir die schockierenden Bilder aus den vom Hochwasser betroffenen Gebieten im Westen des Landes sahen, kamen schreckliche Erinnerungen auf“, erzählt Gabi Ketzer von der sächsischen Oberschule Olbernhau. 2002 war die Realschule selbst von starken Hochwasserschäden betroffen und konnte damals „auf die Hilfsbereitschaft und Solidarität vieler fremder Menschen“ zählen. „Aus diesem Grund war uns schnell klar, wir müssen den Betroffenen in NRW und Rheinland-Pfalz helfen und etwas zurückgeben“, so die Pädagogin.
Die Idee, im Rahmen der „Schulsport-Stafette“ einen Spendenlauf durchzuführen, hatte Schulleiter Uwe Klaffenbach. 570 Schülerinnen und Schüler suchten sich während der Sommerferien Sponsoren, die bereit wären, pro 400 m-Runde einen selbstgewählten Betrag zu spenden. Als der Spendenlauf am 9. September durchgeführt wurde, kamen 20.000 Euro zusammen, wobei sich neben der Schülerschaft auch 40 Lehrkräfte am Lauf beteiligten.
Auf vergleichbare Weise kam es im Sommer 2021 zu zahlreichen Spendenläufen an Schulen im ganzen Land. Die Albert-Schweitzer-Realschule plus Mayen aus Rheinland-Pfalz konnte mit 3.900 gelaufenen Kilometern Deutschland fast umrunden und sammelte 13.500 Euro. An der Grundschule St. Barbara Höhn (ebenfalls Rheinland-Pfalz) waren die Kinder nach Aussage von Sportlehrerin Miriam Becker durch die Startnummern der Deutschen Schulsportstiftung und den offiziellen Anlass sehr motiviert und stolz darauf, für den guten Zweck zu laufen. Weil die Aktion an mehreren Tagen stattgefunden habe, sei sie täglich mit dem Hausmeister zur Bank gefahren, um das Geld, insgesamt 15.000 Euro, abzuliefern, so die Lehrerin.
25.000 Euro erliefen die Schülerinnen und Schüler der Grund- und Gemeinschaftsschule Tellingstedt aus Schleswig-Holstein. Die Presse und das Radio berichteten. 26.000 Euro kamen an der Paul-Gillet-Realschule Edenkoben (Rheinland-Pfalz) zusammen, wobei die Strecke durch die Weinberge an der Weinstraße entlang führte. Gerd Dietrich, Pädagogischer Koordinator der Schule, erinnert sich, dass manche Centbeträge gesammelt hätten, andere mehrere Hundert Euro. „Ein Schüler hat 713 Euro beigetragen. Er ist im ganzen Dorf rumgelaufen, hat überall geklingelt und mehrere Firmen angesprochen.“ Ein Leichtathlet der Schule sei auf der hügeligen Strecke gar einen Halbmarathon gelaufen.
Auch an der brandenburgischen Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule Potsdam (wir berichteten), der Irmelbrunn-Grundschule Unterweiler in Ulm (Baden-Württemberg) und der Grundschule Pfaffen-Schwabenheim (Rheinland-Pfalz) wurde explizit für die Opfer der Flutkatastrophe Geld gesammelt.
Andere teilten das erlaufene Geld für verschiedene soziale Zwecke auf. Zwei NRW-Schulen – das Apostelgymnasium Köln (Spendensumme: 33.000 Euro), und die Grundschule Heggerfeld Hattingen (Spendensumme: 2.500 Euro) – bedachten jeweils mit einem Teil ihrer Einnahmen nordrhein-westfälische Schulen, die vom Hochwasser betroffen waren. Das Apostelgymnasium stellte die gesamte Aktion unter das Motto „Laufen gegen die Folgen des Klimawandels“. Wie Anne Wellinghausen berichtet, kam das Geld aus Köln den Menschen „vor der eigenen Haustür“ sowie Betroffenen des Erdbebens in Haiti und der Dürre in Madagaskar zugute. In der Grundschule Heggerfeld entschied hingegen jede Klasse separat, wohin das Geld fließen soll. So profitierten neben den Flutopfern auch der Kinderschutzbund, die Tafel und bedürftige Obdachlose.
Elly-Heuss-Schule Wiesbaden erläuft Rekordsumme von 46.339 Euro
Der größte Spendenbetrag kam an der hessischen Elly-Heuss-Schule Wiesbaden zusammen. Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler erliefen im Kurpark der Landeshauptstadt 46.339 Euro. Zwei Drittel des Geldes verblieben im schuleigenen Förderverein „AG Lebensraum“, um nach den Wünschen der Schülerschaft – etwa mit Tischtennisplatten und Material für bewegte Pausen – die Schule aufzuwerten. Ein Drittel, also mehr als 15.000 Euro, ging an die Aktion Hilfreich, die sich gegen Kinderarmut im Rhein-Main-Gebiet stark macht und beispielsweise Familien unterstützt, in denen ein Elternteil verstoben ist.
Für den eigenen Förderverein sammelten auch die Grundschule am Rodelberg Torgau aus Sachsen (3.635 Euro), die Adam-Riese-Schule Meerbusch aus Nordrhein-Westfalen (5.495 Euro) und die Gemeinschaftsschule „Galileo" Winzerla Jena in Thüringen (2.000 Euro), wobei ein Teil des Erlöses aus Jena für einen sozialen Zweck weitergereicht wurde. Das Gymnasium der Stadt Meschede aus Nordrhein-Westfalen teilte seinen 25.500 Euro-Erlös des Sponsorenlaufs ebenfalls. Der Fachschafts-Vorsitzende Sport, Andreas Beck, erklärt: „Die eine Hälfte haben wir in das grüne Klassenzimmer und Spielgeräte auf unserem Schulhof gesteckt. Die andere Hälfte ging an unsere Partnerschule in Namibia. Die Resonanz war überragend, manche sind über 20 km gelaufen.“
Für Hilfsbedürftige in Afrika engagiert sich auch das Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasium Speyer in Rheinland-Pfalz, wobei in Speyer nicht gelaufen, sondern wie schon im Jahr zuvor gefahren wurde. 8.000 Euro kamen beim Stadtradeln zusammen. Unter anderem wurde mit dem Geld ein Jahr lang das Schulessen für die 30 ärmsten Familien einer Schule in Ruanda bezahlt. Der Rest floss zuletzt in das Projekt „Digitales Klassenzimmer“ für die Ausstattung mit Computern und in den Bau eines neuen Schulgebäudes.
Mindestens 230.000 Euro kamen durch Spendenaktionen zusammen
Insgesamt nahmen im vergangenen Jahr über 1.000 Schulen an der „Schulsport-Stafette“ der Deutschen Schulsportstiftung teil. Da nicht alle Bildungseinrichtungen zurückgemeldet haben, welche Aktivitäten sie im Rahmen der Bewegungsoffensive durchgeführt haben, könnte es sein, dass neben den genannten Spendenaktionen noch weitere organisiert worden sind. Unseren Recherchen zufolge wurden aber mindestens 230.000 Euro von einigen Tausend Schülerinnen und Schülern gesammelt, die sich im Zuge der „Schulsport-Stafette“ sportlich betätigt haben. Mehr als die Hälfte der Spendensumme floss dabei in die von der Flut betroffenen Hochwassergebiete in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.