Von Kai Gemeinder
Vier ehemalige Schulsporttalente aus dem Para Schwimmen sowie drei aus der Para Leichtathletik haben den Sprung von „Jugend trainiert“ zu den Paralympics 2024 geschafft. Außerdem gehen Jubiläumsbotschafter Markus Rehm, der Triathlon-Pate Martin Schulz, die Schwimm-Patin Verena Schott und Rollstuhlbasketball-Pate Thomas Böhme in Paris zum jeweils vierten Mal bei Paralympischen Spielen an den Start. Wir stellen euch die elf Mitglieder der „Jugend trainiert“-Familie vor und beginnen mit den Schwimm-Hoffnungen des Team D Paralympics.
Jüngste deutsche Paralympics-Teilnehmerin schwamm beim letzten Herbstfinale noch fürs Berliner Schulteam
So früh und so schnell hat noch keine Athletin den Sprung von „Jugend trainiert“ zu den Paralympics geschafft: Im Alter von 14 Jahren startet Johanna Döhler bei den Paralympischen Spielen 2024, dem weltweit größten Sportereignis für Menschen mit körperlicher Behinderung. Eigentlich war es ihr Plan, sich 2028 den Traum einer Paralympics-Teilnahme zu erfüllen. Nun geht er schon jetzt, nicht einmal zwei Monate nach ihrem 14. Geburtstag, in Erfüllung. Neun bis zehn Trainingseinheiten pro Woche absolviert die Sporteliteschülerin. Wie gut sie ist, bewies sie unter anderem beim „Jugend trainiert“-Herbstfinale 2023 als Schwimmerin des Schul- und Leistungssportzentrums Berlin. Obwohl ihre Gegnerinnen im Becken teils erheblich älter waren als sie, war Johanna die Schnellste in den Disziplinen Freistil und Rücken sowie Zweitschnellste im Brustschwimmen. Damit trug sie maßgeblich zum Bundessieg ihres Berliner Schulteams bei. Bei den Paralympischen Spielen in Paris ist die sehbeeinträchtigte Sportlerin über 400 Meter Freistil und 100 Meter Brust gemeldet.
Steckbrief Johanna Döhler: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/johanna-doehler
Neben dem 14-jährigen Toptalent gehen drei weitere „Jugend trainiert“-Medaillengewinnerinnen und -gewinner in der Pariser La Défense Arena ins Wasser, die allesamt bereits 2021 in Tokio ihre Paralympics-Premiere feierten: Gina Böttcher, Mira Jeanne Maack und Malte Braunschweig.
Die 23-Jährige Gina Böttcher kann es nach eigener Aussage kaum erwarten, vor 17.000 Menschen zu schwimmen. In Tokio waren coronabedingt schließlich keine Zuschauer an der Wettkampfstätte zugelassen. Damals startete die ehemalige Schülerin des Sonderpädagogischen Förderzentrums Potsdam in fünf Disziplinen, blieb jedoch ohne Medaillenerfolg. Das möchte sie in Paris gerne ändern. Das nötige Selbstbewusstsein dürften ihr die drei Europameisterschaftstitel geben, die sie im April 2024 erringen konnte. Bei „Jugend trainiert“ gewann sie mit ihrem Schulteam 2016 Bronze und 2018 Gold.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/gina-boettcher
Auch Mira Jeanne Maack nahm 2018 beim Bundesfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics teil und belegte mit der Startgemeinschaft SLZB / Carl-von-Linné-Schule hinter Gina Böttchers Team aus Potsdam den Silberrang. 2019 kam ein dritter Platz hinzu, wobei die Berlinerin mit Bestzeiten über Brust und Rücken überzeugen konnte. Zudem war sie in beiden Jahren Mitglied der siegreichen Berliner Inklusionsstaffel, in der Schwimmtalente mit und ohne Behinderung gemeinsam für ihr Bundesland an den Start gehen. Zwei Jahre nach ihrer letzten „Jugend trainiert“-Teilnahme wurde sie bei ihrem Paralympics-Debüt zweimal Fünfte und einmal Sechste. In Paris peilt die 20-Jährige Starts in fünf Disziplinen an.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/mira-jeanne-maack
Auf die meisten, nämlich drei, „Jugend trainiert“-Teilnahmen kann Malte Braunschweig zurückblicken. Mit seinen beiden Titeln 2015 und 2017 sowie einem dritten Platz 2013 im Team der Carl-von-Linné-Schule Berlin ist der 24-Jährige auf Schulsportebene noch erfolgreicher gewesen als die zuvor genannten Schwimmerinnen. Außerdem konnte sich der Berliner 2013 in die „Jugend trainiert“-Geschichtsbücher eintragen. Als damals bei „Jugend trainiert“ erstmals olympische und paralympische Schwimmwettbewerbe zur selben Zeit und am selben Ort stattfanden, feierte auch die Inklusionsstaffel ihre Premiere. Malte Braunschweig gehörte dem gemischten Berliner „Get together“-Schwimmteam an, das damals den ersten Titel in dieser Disziplin gewann. Und damit nicht genug: Bei seinem letzten Bundesfinale 2017 schwamm Malte Braunschweig, damals 17 Jahre alt, in 26,8 Sekunden Deutschen Rekord über 50 Meter Freistil in seiner Startklasse. Den Rekord hält er bis heute, wobei er seine eigene Bestzeit mittlerweile mehrfach auf inzwischen 26,15 Sekunden unterboten hat. In Paris wird der Berliner unter anderem auf dieser Paradestrecke sein Bestes geben.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/malte-braunschweig
In der Leichtathletik hoffen drei ehemalige „Jugend trainiert“-Talente auf ihren großen Moment bei den Paralympics 2024
Der kleinwüchsige Yannis Fischer nahm 2018 als 16-Jähriger am „Jugend trainiert“-Bundesfinale teil und belegte mit der Startgemeinschaft Baden-Württemberg den neunten Rang. In den Laufdisziplinen und beim Weitsprung landete er zwar auf den hinteren Plätzen, aber im Kugelstoßen bot er damals die drittbeste Leistung unter 53 Startern an. Ein Fingerzeig? Auf jeden Fall! Bei seiner Paralympics-Premiere 2021 belegte Yannis Fischer in der Startklasse F40 für Männer, die nicht größer als 1,30 Meter sind, den sechsten Rang. 2023 krönte er sich dann zum Weltmeister – und das auch noch in Paris. Eigentlich ein gutes Omen. Wären da nicht die Rückenprobleme, die den 22-Jährigen seitdem regelmäßig plagen. Im Stade de France kämpft Yannis Fischer daher nicht nur gegen die Konkurrenz, sondern auch gegen den Schmerz – und um eine Medaille.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/yannis-fischer
Max Marzellier ist ein Paradebeispiel dafür, wie junge Menschen über den Schulsport und „Jugend trainiert“ zu ihrem Talent finden können. Bis zur Jugend spielte Max Fußball. „Dann war Feierabend, weil ich fast nichts mehr gesehen habe,“ erinnert sich der Brandenburger, dessen Sehkraft aufgrund einer Zapfenstäbchendystrophie zu diesem Zeitpunkt auf rund zehn Prozent gesunken war. 2016 wurde Max mit 14 Jahren bei einem Leichtathletik-Sichtungswettkampf seiner Schule in Königs Wusterhausen entdeckt. 2017 gewann er mit dieser Schule den Titel beim Herbstfinale von „Jugend trainiert“, war bester Athlet seines Teams und in jeder Disziplin unter den Top-3 des gesamten Teilnehmerfeldes. Max wechselte auf die Sportschule Cottbus, wurde fortan inklusiv beschult und sportlich bestmöglich gefördert. 2019 machte er erstmals international auf sich aufmerksam, als er bei der Junioren-WM im Weitsprung Silber gewann. Die Paralympischen Spiele 2021 verpasste Max Marzellier wegen einer Blinddarmentzündung. 2022 katapultierte er sich dann beim Para Leichtathletik Grand Prix in Paris in die Weltspitze, als er die 400 Meter in einer Fabelzeit von 49,02 Sekunden abspulte. Bei den Weltmeisterschaften 2024 landete der 22-Jährige in 49,66 auf dem vierten Rang. Sollte er in Paris an seine Bestzeit herankommen, könnte es für eine Medaille reichen.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/max-marzillier
Gleich dreimal gehörte Charleen Kosche dem Para Leichtathletikteam der Bauhausschule Cottbus an, das 2014 und 2015 bei „Jugend trainiert“ den Titel gewann und 2016 Zweiter wurde. Stets zählte Charleen dabei zu den Leistungsträgerinnen und hatte großen Anteil an den Erfolgen der Schule. Acht Jahre nach ihrem letzten Start bei „Jugend trainiert“ erfüllt sich nun ihr Traum von den Paralympics, bei denen sie im Kugelstoßen und Speerwerfen antreten wird. Den Weg nach Paris bezeichnet sie selbst als „lang und holprig“. Umso mehr freut sich die 23-Jährige nun auf ihre Wettbewerbe und eine unvergessliche Zeit in Paris.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/charleen-kosche
Sportliche Vorbilder fiebern nach London, Rio und Tokio vierten Paralympics entgegen
Auf geballte Erfahrung können die vier Sportstars, die „Jugend trainiert“ als Jubiläumsbotschafter, Pate oder Patin unterstützen, zurückgreifen. Allesamt sind sie schon seit 2012 bei den paralympischen Spielen dabei – also dem Jahr, in dem das erste offizielle Bundesfinale von Jugend trainiert für Paralympics stattfand. Das erklärt, warum Markus Rehm, Martin Schulz, Verena Schott und Thomas Böhme nie selbst am Schulsportwettbewerb teilnehmen konnten. Dafür haben sie auf internationaler Ebene herausragende Erfolge erzielt.
Markus Rehm (36) etwa gewann bei all seinen bisherigen Paralympics-Auftritten souverän Gold im Weitsprung. Der Weltrekordhalter (8,72 Meter) ist auch bei Europa- und Weltmeisterschaften seit 2011 ungeschlagen und sammelte zudem fünf internationale Titel mit der 4x100 Meter Staffel. Nicht erst seit seinem großen Auftritt als Fackelträger bei der Eröffnungsfeier am 28. August 2024 in Paris genießt der selbsternannte „Bladejumper“ Legendenstatus. Markus Rehm, der seinen vierten Paralympics-Sieg im Weitsprung anvisiert und den Traum verfolgt, als erster Mensch die Neunmeter-Marke zu knacken, gehört zur „Jugend trainiert“-Familie, seit er 2019 die Rolle des Jubiläumsbotschafters anlässlich des 50. Geburtstages von Jugend trainiert für Olympia übernahm.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/markus-rehm
Auch Martin Schulz (34) arbeitet fleißig am Legendenstatus. In London war er 2012 noch als Schwimmer aktiv. Seine Leidenschaft aber gilt dem Triathlon. Dieser ist 2016 ins paralympische Programm aufgenommen worden und kennt in der Startklasse PTS5 für Menschen mit leichter Bewegungseinschränkung nur einen Sieger: Martin Schulz. In Paris möchte der elfmalige Europameister und vierfache Weltmeister seine paralympische Siegesserie fortsetzen. Auf ein Paris-Highlight kann er indes schon jetzt, drei Tage vor seinem Rennen am 1. September, zurückschauen: Zusammen mit Edina Müller durfte unser Triathlon-Pate als Fahnenträger die deutsche Delegation bei der Eröffnungsfeier am 28. August 2024 anführen.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/martin-schulz
Während Markus Rehm als Fackel- und Martin Schulz als Fahnenträger bei der Eröffnungszeremonie eine tragende Rolle eingenommen haben, zählen unsere Schwimm-Patin Verena Schott und unser Rollstuhlbasketball-Pate Thomas Böhme zu den Aktiven, die am Morgen des ersten Wettkampftages das sportliche Geschehen der Paralympischen Spiele 2024 mit eröffnen. Verena Schott geht um 10:43 für ihren ersten Vorlauf ins Becken, Thomas Böhme stellt sich ab 10:30 Uhr im Team der deutschen Rollstuhlbasketballer dem ersten Gruppengegner Großbritannien.
Welt- und Europarekorde stehen in der Vita der zweifachen Mutter Verena Schott (35), die von ihrem Partner und Trainer Maik Zeh als „eine beeindruckend starke Frau“ bezeichnet wird. Bei ihren bisherigen Paralympics-Auftritten hat die querschnittsgelähmte Potsdamerin einmal Silber und dreimal Bronze gewonnen. Als dreimalige Weltmeisterin (zuletzt gewann sie 2023 den Titel über 100 Meter Brust und wurde Vizeweltmeisterin über 50 Meter Schmetterling und 200 Meter Lagen) wird sie versuchen, ihre Medaillensammlung in Paris zu erweitern und sicherlich darauf hoffen, dass eine davon am Ende golden glitzert.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/verena-schott
Das deutsche Rollstuhlbasketball-Team, dem Thomas Böhme (33) seit vielen Jahren angehört, zählt mit Platz acht bei der letzten WM und Platz sechs bei den Paralympics 2021 eher nicht zu den ersten Medaillenanwärtern. Wie der achtmalige Deutsche Meister und dreimalige Champions-League-Sieger im Interview mit der Rheinischen Post verriet, zieht er seine Motivation aber nicht alleine aus dem möglichen sportlichen Erfolg: „Was ich auch noch als Motivation sehe, ist, dass wir Vorbilder sind für andere – gerade auch für Kinder und Jugendliche, die ebenfalls im Rollstuhl sitzen, oder für Menschen, die frisch im Rollstuhl sitzen“. Ihnen wolle er zeigen, was auch mit Rollstuhl möglich ist.
Steckbrief: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/athletinnen/details/thomas-boehme