Von Kai Gemeinder
Wangerooge ist die östlichste der sieben bewohnten ostfriesischen Inseln. Auf ihr leben nur etwas mehr als 1.200 Menschen. Die Nordseeinsel ist 9km lang und bis zu 2km breit. Mit ihrer Gemeinde sowie den Stränden, Dünen und Deichen würde sie 112 Mal ins Stadtgebiet von Berlin hineinpassen. Weil die Insel so klein ist, gibt es auf Wangerooge – im wahrsten Sinne des Wortes „naheliegenderweise“ – nur eine Schule. Und auch diese ist klein. Gerade einmal 59 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit die Inselschule Wangerooge. Aber anders, als man vermuten könnte, verbergen sich hinter dieser geringen Anzahl an zu beschulenden Kindern und Jugendlichen große Herausforderungen. „Unter einem Dach“ beinhaltet die Inselschule nämlich fünf Schulformen: die Grundschule mit derzeit 30 Kindern sowie Förderschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium bis zur zehnten Klasse mit zusammengenommen 29 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 5-10. Um diese Vielseitigkeit bieten zu können, wird auf der Insel jahrgangs- und schulformübergreifend unterrichtet. Die Lehrkräfte müssen tagtäglich das Kunststück vollbringen, in jeder Stunde bis zu fünf Differenzierungen vorzunehmen. Und aufgrund von Corona kommt bisweilen auch noch digitaler Unterricht hinzu.
Am Aktionstag „Jugend trainiert“ – gemeinsam bewegen haben sich 23 der 29 älteren Schülerinnen und Schüler mit einem Staffel-Langlauf beteiligt, der am Westturm, dem Wahrzeichen der Insel, vorbeiführte, wobei eine Gesamtstrecke von 9km zurückzulegen war. „Normalerweise findet in jedem Jahr der 10km-Westturmlauf auf Wangerooge statt, an dem sich ca. 180 Menschen beteiligen. Weil dieser aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, haben wir ihn nun in abgewandelter Form mit unserer Schule nachgeholt“, erläutert Sportlehrer Peter Kuchenbuch-Hanken die Idee. Die Schülerinnen und Schüler seien stolz gewesen, eine Startnummer und Urkunde für die Teilnahme am Aktionstag erhalten zu haben und würden diesen gerne so bald wie möglich wiederholen, so der Pädagoge, dessen eigentliche Leidenschaft nicht dem Laufen, sondern einer anderen Sportart gilt: Beach-Volleyball.
Vor fast drei Jahrzehnten initiierten Kuchenbuch-Hanken und zwei Mitstreiter in St. Peter-Ording ein Beach-Volleyball-Turnier, das sich längst im Wettkampfkalender vieler Spitzenathletinnen und -athleten etabliert hat, und mittlerweile bis zu 50.000 Zuschauer anlockt. „Als wir anfingen, war Beach-Volleyball noch eine echte Randsportart und nicht einmal olympisch“, so der Sportlehrer, der 2020 ein Dienstjubiläum an der Inselschule feiern konnte: Seit 20 Jahren unterrichtet der gebürtige Bremer, den es im Jahr 2000 auf die Insel zog, auf Wangerooge.
Dort hat er auch bei seinen Schülerinnen und Schülern die Begeisterung für Beach-Volleyball geweckt und in den 2000er Jahren einige Male mit seinen Teams an Jugend trainiert für Olympia teilgenommen. Acht Jahre lang richtete die kleine Inselschule sogar das Landesfinale Niedersachsens auf Wangerooge aus. „In einem Jahr sind wir Dritter geworden und hätten uns beinahe fürs Bundesfinale in Berlin qualifiziert. Das wäre natürlich eine Sensation gewesen. Viel hat damals nicht gefehlt. Es lag nur an wenigen Punkten“, erinnert sich Kuchenbuch-Hanken mit Stolz an diese Zeit zurück.
Aktuell bekommt der engagierte Lehrer an seiner kleinen Schule leider keine Mannschaft zusammen, die er im Beach-Volleyball oder einer anderen Sportart an den Start bringen könnte. „Umso dankbarer war ich, als ich von der tollen Aktion der Schulsportstiftung hörte. Mir war sofort klar, dass wir uns daran beteiligen würden.“
Und wer weiß – vielleicht wachsen ja gerade neue Nachwuchskräfte für ein Comeback bei „Jugend trainiert“ heran. So viele Grundschülerinnen und -schüler wie im Moment gab es auf Wangerooge jedenfalls schon lange nicht mehr. Würden die Insulaner eines Tages wieder teilnehmen, wären sie vermutlich die kleinste Schule beim größten Schulsportwettbewerb der Welt.