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„Es ist ein Geschenk“

Ukrainische Schülerinnen und Schüler gehen beim Herbstfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics für die Humboldtschule Hannover im Rudern an den Start. Dass sie fernab von Krieg und Leid in ihrer Heimat beim Schulsportwettbewerb dabei sein dürfen, empfindet Alisa Lehenchenko als Geschenk. Und man spürt, wie gut den Rudertalenten der Trip nach Berlin tut – jenseits von sportlichen Erfolgen, die ihnen allemal zuzutrauen sind.

Von Kai Gemeinder

Kurz vor dem ersten Rennen ist allen fünf Sportlerinnen, die im WK II Doppelvierer plus Steuerfrau für die Humboldtschule Hannover am Bundesfinale von „Jugend trainiert“ teilnehmen, die Nervosität deutlich anzumerken. Sie wirken angespannt, sind konzentriert und fokussiert. Besetzt ist das Boot von den vier ukrainischen Nationalkaderathletinnen Iryna Yatsuliak, Alisa Lehenchenko, Zinaida Kataieva und Yaroslava Kravchenko sowie der deutschen Steuerfrau Marie Klar, die ihre Anweisungen auf Englisch gibt, wie sie noch schnell erzählt, bevor es raus aufs Wasser geht.

Eine halbe Stunde später ist jegliche Anspannung in den Gesichtern der Mädchen verflogen. Gerade haben sie mit mehreren Bootslängen Vorsprung ihren Vorlauf gewonnen und sind direkt ins Halbfinale des nächsten Tages eingezogen. Strahlend erzählt Yaroslava auf Englisch, sie sei überrascht, so überlegen Erster geworden zu sein. Es sei anstrengend gewesen, weil sie von Anfang an Vollgas gegeben hätten und der Wind ihnen zusätzlich zu schaffen gemacht hätte. Aber nun sei sie sehr happy. „Ich denke, das Rennen war richtig gut“, ergänzt Alisa und sagt auf Deutsch: „Es ist ein Geschenk.“

Damit meint sie weniger den gerade errungenen Sieg. Den haben sich die Mädchen schließlich dank der eigenen starken Leistung selbst erarbeitet. Sie empfindet es als Geschenk, bei den Wettbewerben von „Jugend trainiert“ dabei sein zu dürfen und ihren Sport ausüben zu können.

Schon im Vorfeld hatten die Mädchen ihrem Betreuer Gunther Sack gegenüber geäußert, es sei eine Ehre für sie, die Humboldtschule Hannover beim Bundesfinale zu vertreten. Die damit zum Ausdruck gebrachte Dankbarkeit und Wertschätzung rühren den erfahrenen Pädagogen. „Wir versuchen, ein bisschen was Positives in den Alltag der ukrainischen Jugendlichen zu zaubern,“ sagt er und gibt zu: „Ich wusste auch anfangs nicht, wie das wohl werden würde, aber das Projekt ist wirklich toll, weil die Gruppe doch sehr versucht, zusammen Spaß zu haben. Die Schülerinnen und Schüler überwinden ganz viele Barrieren und man merkt, dass der Sport in dem Fall sehr verbindend wirkt.“

Insgesamt sind acht ukrainische Schülerinnen und Schüler Teil des 40-köpfigen Teams aus Hannover. Neben den vier Mädchen aus dem Doppelvierer verteilen sich vier weitere ukrainische Schüler auf zwei Boote in den männlichen Wettkampfklassen. Kyrylu Furs, Maksym Komiahin und Volodymr Slukhai gehen zusammen mit Oskar Krimm und Steuermann Carl Marcinczak im Doppelvierer+ der WK II ins Rennen; in der gleichen Bootsklasse der jüngeren WK III verstärkt Yaroslav Zakharov das Jungenteam.

Zum ersten Mal in der Schulgeschichte hat sich die Humboldtschule Hannover in sechs von acht Bootsklassen fürs Bundesfinale von „Jugend trainiert“ qualifiziert. Gunther Sack ordnet ein: „Das gab es noch nie und das hat auch noch keine andere Schule vor uns geschafft. Wir haben es unseren ukrainischen Mitschülerinnen und -schülern zu verdanken, dass wir hier so stark vertreten sind. Ohne sie wären wir nur mit drei Booten in Berlin, was auch schon ein großartiger Erfolg gewesen wäre."

Auf Betreuerseite werden die Niedersachsen verstärkt von Yuri Zakharov und Oksana Zakharova, den Eltern von Yaroslav. Yuri war früher selbst ukrainischer Nationalkaderathlet und kennt die Regattastrecke Grünau sogar aus seiner eigenen Zeit als Leistungssportler.

Wie die Schülerinnen und Schüler ist auch das Trainerehepaar seit März in Hannover. Der Deutsche Ruderverband hatte daran mitgewirkt, dass die Geflüchteten an einem Ort untergebracht werden, an dem sie ihrem Sport nachgehen können. In Hannover wurde die Gruppe von der Ruder-Gemeinschaft aufgenommen und von mehreren Vereinen unterstützt. An der Humboldtschule mit eigenem Ruderverein und Nähe zum traditionsreichen Maschsee werden die Jugendlichen beschult und sportlich gefördert. Schnell wurden von verschiedenen Seiten Boote zur Verfügung gestellt, damit einige der Talente im Mai bei den Junioren-Europameisterschaften starten konnten. Auch an verschiedenen deutschen Ruderrennen haben die ukrainischen Schülerinnen und Schüler seitdem teilgenommen.

Nun sind sie in Berlin beim Bundesfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics. Um Sport zu treiben, Spaß zu haben, Freundschaften zu schließen. Das sportliche Abschneiden gerät dabei beinahe zur Nebensache.

 

alle Bilder: © DSSS/sampics

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