Von Kai Gemeinder
In Hessen fällt die starke Beteiligung am Wettbewerb auf: Insgesamt 122 Mannschaften wurden von den 81 teilnehmenden Schulen gemeldet. Nur Niedersachsen (135 Mannschaften aus 78 Schulen) weist deutschlandweit noch höhere Werte auf. In Sachsen hingegen meldeten 92 Schulen lediglich 28 Mannschaften. Der Schwerpunkt lag im Freistaat offenbar bei der Beteiligung an der Aktionswoche, in der kein standardisierter Wettbewerb vorgegeben wurde, sondern individuell gestaltbare Bewegungsangebote von den Schulen umgesetzt werden konnten.
Bestand beim Großteil der sächsischen Schulen also kein Interesse am sportlichen Vergleich mit Schulteams aus anderen Ländern? Das käme insofern überraschend, als Sachsen beim klassischen Schulsportwettbewerb von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics üblicherweise ein sehr hohes Leistungsniveau nachweist. Beim letzten Frühjahrsfinale in der Zeitrechnung vor Corona belegte Sachsen im Mai 2019 beispielsweise Rang zwei im inoffiziellen Medaillenspiegel. Es gibt aber eine ganz einfache Erklärung für die wettbewerbliche Abstinenz Sachsens im Rahmen der „Schulsport-Stafette“. Bei einem anderen Wert ist Sachsen nämlich spitze: Kein Bundesland weist bei der „Schulsport-Stafette“ einen höheren Anteil an Grundschulen auf, fast 60% aller aus Sachsen gemeldeten Schulen sind Grundschulen; im Bundesdurchschnitt liegt der Wert im Rahmen der „Schulsport-Stafette" „nur“ bei 36%.
Weil die Wettbewerbe der „Schulsport-Stafette“ für Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis 15 Jahren ausgeschrieben wurden, waren viele Kinder schlichtweg zu jung, um sich an den Wettbewerben zu beteiligen. Stattdessen richteten viele Schulen Sportfeste aus und stellten den Spaß an der Bewegung in den Vordergrund.
Hessischer Kultusminister stattet Eliteschule des Sports virtuellen Besuch ab
Während in Sachsen also die pure Freude an der Bewegung im Mittelpunkt stand, kämpften in Hessen zahlreiche Schulen um die begehrten Startplätze beim „Bundesfinale 2021 vor Ort“, das vom 27. September bis 1. Oktober ausgetragen wird. Eine Schule, die sich traditionell gute Chancen ausrechnen darf, die Qualifikationsphase zu überstehen, ist die Carl-von-Weinberg-Schule Frankfurt am Main. Sie ist regelmäßig mit mehreren Mannschaften bei den Bundesfinals von „Jugend trainiert“ vertreten und gewinnt dort ebenso regelmäßig Edelmetall. Für den Leistungssportkoordinator der Eliteschule des Sports, Dominic Ullrich, ist „Jugend trainiert“ nach eigener Aussage ein Schaufenster, in dem man sich zeigen und darstellen kann. Deshalb war es auch keine Frage, ob sich die Schule an den Wettbewerben der „Schulsport-Stafette“ beteiligen würde oder nicht.
Besonders freute sich der Leichtathletik-Lehrertrainer darüber, dass sich Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz in einer Videoschalte am Freitagmorgen über eine halbe Stunde Zeit nahm, um einerseits die virtuelle Staffelstab-Übergabe von Hessen ins benachbarte Thüringen zu begleiten, und sich andererseits einen Einblick in die Aktivitäten der Schule im Rahmen der „Schulsport-Stafette“ zu verschaffen.
„Es ist wunderbar“ – Prof. Dr. R. Alexander Lorz lobt die Initiative der „Schulsport-Stafette“
Während des Video-Calls wurde ein Einspieler vom Leichtathletikwettbewerb, der bereits am Dienstag stattgefunden hatte, gezeigt. Außerdem fand eine Liveschalte in die Sporthalle statt, wo die Turnerinnen und Turner der Carl-von-Weinberg-Schule ihre Disziplin der „Schulsport-Stafette“ vorstellten – anschaulich kommentiert und erklärt von Sportlehrer Dominik Klenner. „Es ist wunderbar. Man kann förmlich die Begeisterung auch über den Videokanal hinweg spüren – die Freude daran, mal wieder gemeinsam sportlich unterwegs zu sein“, strahlte der Minister. „Die Initiative zeigt, dass man auch unter diesen schwierigen Bedingungen Sport treiben kann, dass man sogar einen Wettbewerb veranstalten kann, dass man gemeinsam Spaß haben kann, dass man den Teamgeist zeigen und eben auch die entsprechenden Leistungen erbringen kann.“
An die Macher von „Jugend trainiert“ gerichtet, fügte der höchste Bildungsbeauftragte des Landes hinzu: „Ich finde es toll, dass die Deutsche Schulsportstiftung mit der ‚Schulsport-Stafette‘ eine Möglichkeit gefunden hat, wie man gemeinsam im Wettbewerb zu sportlichen Höchstleistungen kommt – und das eben unter Beachtung der Einschränkungen, denen wir durch die Pandemie alle unterliegen.“
Wie schön es gerade für Einzelsportler ist, im Team ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, betonte Hammerwerferin Johanna Marrwitz, die bei den Deutschen U16-Meisterschaften in diesem Jahr Deutsche Vizemeisterin geworden war und seit der 5. Klasse die Eliteschule des Sports in Frankfurt besucht. „Man kämpft nicht nur für sich, sondern auch für andere. Das macht schon etwas mehr Druck, aber eben auch mehr Spaß“, berichtete Johanna von ihren Eindrücken des Wettbewerbs, in dem sie im Kugelstoßen und Ballwurf Punkte fürs Team sammelte. Der Weg bis zu ihrem bislang größten Einzelerfolg bei den Deutschen Nachwuchsmeisterschaften sei allerdings sehr schwierig gewesen, weil nach Ausbruch der Corona-Pandemie lange Zeit keine Wettkämpfe in Aussicht standen. „Irgendwann hatte man einfach keine Lust mehr, irgendwas zu machen“, erzählte sie. „Aber ich wollte halt 2021 zu den Deutschen Meisterschaften fahren und deshalb hab ich die ganze Zeit weitertrainiert.“
Auch für den 14-jährigen Alexander Adler, ebenfalls Wurfspezialist und Mitglied des Leichtathletikteams der Carl-von-Weinberg-Schule, war diese Zeit nicht einfach: „In der Saison vor dem ersten Lockdown hatte ich sehr viele Wettkämpfe, und dass es dann auf einmal keine mehr gab, war schon sehr komisch, weil man sich im Training nun einmal auf Wettkämpfe vorbereitet,“ erklärte er.
Kultusminister Lorz ist sich dessen durchaus bewusst. Denn bereits vor den Ausführungen der beiden Jugendlichen sagte der Politiker zu Beginn des Video-Calls: „Ich möchte den Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrkräften ein ganz großes Kompliment und Dankeschön aussprechen für das Durchhaltevermögen in dieser Zeit der Pandemie. Sie hat ja gerade den Sport, natürlich den Vereinssport, aber auch den Schulsport in besonderer Art und Weise betroffen und da braucht es schon ein dickes Fell, Hartnäckigkeit und den Glauben an eine gute Zukunft, um diese Zeit durchzustehen.“
Wie lange genau es noch dauert, bis die Corona-Pandemie überwunden sein wird, vermochte auch der Minister freilich nicht zu beantworten. Aber die Tatsache, dass sich in den letzten zwei Monaten bereits mehr als 140.000 Schülerinnen und Schüler an der „Schulsport-Stafette“ beteiligen konnten, lässt darauf hoffen, dass die „gute Zukunft“ zumindest in Teilen vielleicht schon begonnen hat.